Sex und Ehe = Antworten in aktueller Form
eine Vikariatsarbeit von Joachim Gnep (Ok. 1990)
In vielen
charismatischen Kreisen ist das Thema „Sex vor
der Ehe“ ein Tabu. Die Problematik dieses Themas liegt weniger an der
Sexualität
selbst, sondern vielmehr an der
Institution Ehe, die als Legitimation zum „Verkehr“ missbraucht
wird.
Gesamtarbeit als PDF :
Ergebnisse der Arbeit
1.
Mit Ausnahme von Ex 22,15f und Dtn 22,28f wird weder im Alten noch im
Neuen
Testament direkt zum Thema des vorehelichen Geschlechtsverkehrs
Stellung
genommen. Der klarste neutestamentliche Beleg findet sich bei Paulus (1
Kor
7,36ff) im Kontext einer anderen Fragestellung ("Soll man heiraten?").
Dabei hat sich gezeigt, dass selbst die
Heranziehung von Ex 22,
15f und Dtn 22,28f im Sinne einer ethischen Norm für das neue
Gottesvolk in der
Nachfolge Christi problematisch ist (vgl.1.3.3. und 1.6.). Alle
weiteren
untersuchten Bibelstellen enthalten bestenfalls indirekte Aussagen zum
Thema.
Dabei haben sich die Rückschlussverfahren in den zugrundegelegten
Argumentationen verschiedener Autoren größtenteils als exegetisch sehr
umstritten oder unhaltbar erwiesen.
2.
Weder im Alten noch im Neuen Testament ist der Umgang mit der
Sexualität eine
reine Privatsache abseits des Gottesverhältnisses und der Gemeinschaft
der
Glaubenden.
Mit dieser These soll unterstrichen
werden, daß auch der
voreheliche Umgang mit der Sexualität nicht in das unverbindliche
Belieben des
Einzelnen gestellt ist, selbst wenn die Bibel weitestgehend dazu
schweigt.
3.
Die völlig unterschiedliche Beurteilung der Heranziehbarkeit der
genannten Bibelstellen zur Ablehnung des vorehelichen
Geschlechtsverkehrs
macht deutlich, wie dringlich die Klärung der hermeneutischen Frage und
exegetischen Methoden ist.
Solange die Frage nach dem
Schriftverständnis, in der sich
letztlich die Beurteilung der hier verhandelten Thematik eindeutig
zuspitzt,
nicht halbwegs befriedigend geklärt ist, wird die ethische Beurteilung
des
vorehelichen Geschlechtsverkehrs kontrovers bleiben - mit allen nicht
selten
tragischen Folgen für die jungen Menschen in der Gemeinde. Es ist daher
unverantwortlich und lieblos, das theologische Ringen um ein
angemessenes
Schriftverständnis zu vernachlässigen.
4.
Ein rein biblizistisches Argumentieren in der hier verhandelten Frage
führt
nicht weiter und wird zur Zumutung, wenn nicht gar zum Gesetz, wo
ansonsten
keine schlüssige ethische Begründung der Ablehnung des vorehelichen
Geschlechtsverkehrs geboten werden kann.
Die große theologische Aufgabe besteht
darin, vom doppelten
Liebesgebot und anderen grundlegenden Texten her zu nachvollziehbaren
ethischen
Antworten zu gelangen. Wo diese ausbleiben, wird das Zitieren
einschlägiger
"Belegstellen", insbesondere von orientierungssuchenden jungen
Menschen, als Zeichen der Rat- und Hilflosigkeit empfunden werden
müssen.
5.
Eine heutige ethische Beurteilung des vorehelichen Geschlechtsverkehrs
darf beim
Rückgriff auf entsprechende Bibel stellen nicht deren soziokulturelle
Bedingtheit und jeweilige Situationsbezogenheit außer Acht lassen.
Zu nennen sind insbesondere folgende
Stichworte: das einseitige
Denken aus der Sicht des Mannes (patriarchalische
Gesellschaftsstruktur), das frühe
Heiratsalter, die Umstände der Partnerwahl, die damalige Bedeutung von
Verlobung und Ehe, der alles beherrschende Gedanke der
Nachkommenssicherung, die
Bedeutung des Familienverbandes, die als Ausnahmefall anzunehmende
Partnerlosigkeit, die unterschiedliche Bewertung vorehelicher
Keuschheit bei
Mann und Frau - und einiges mehr.
6.
Eine Überbetonung der Schwere sexueller Sünden im Vergleich zu anderen
Sünden
ist mit der Bibel eindeutig abzulehnen: sie steht auf einer Stufe mit
Habgier,
Geiz, Streitsucht, ausschweifendem Lebensstil etc.
Die Evangelien berichten, dass Jesus die
Sünder im Bereich der
Sexualität ungleich milder behandelt als beispielsweise die Sünder der
frommen
Heuchelei. Den sexuellen Sünden eine besondere Schrecklichkeit
anzuhaften, ist
weder angemessen noch biblisch. Eine Gemeinde von Sündern, die nicht
zur
Gemeinde von Heuchlern werden will, wird dies in Lehre und Praxis zum
Ausdruck
bringen.